Hanselaer verlor mit Maria und Willi Lemm seine besten Förderer

Während des corona-bedingt in St. Nicolai stattfindenden Seelenamts läuteten – die Internetaufnahme macht‘s möglich - doch die beiden alten Hanselaerer Glocken. Beschriftet mit „die Lebenden ruf ich, die Toten beklag ich“ hat Willi Lemm sie 70 Jahre lang zu den Hanselaerer Messen mit dem alten Glockenseil eigenhändig geläutet. Seine Frau Maria versah 50 Jahre lang den Küsterdienst und hielt hunderte Kirchenführungen in dem Kleinod mittelalterlicher niederrheinischer Kirchenräume. Die beiden hochverdienten Hanselaerer Kirchenmitglieder starben nach 62 ein halb Ehejahren in 30 Stunden Abstand am Weihnachtsfest 2020. Sie wurden zu Jahresbeginn gemeinsam im Schatten der fast tausendjährigen St.-Antonius-Kirche beigesetzt im Familiengrab, das traditionell dort von der Nachbarschaft ausgehoben wurde. Im Kinderwagen dabei war auch das kurz vor Weihnachten geborene Urenkelkind Aurelie.

In der Nachbarschaft des kleinen Lemmschen Bauernhofes hatte die 16jährige Maria als gebürtige Wisselerin auf einem Hof gearbeitet. Gleich nach ihrer Hochzeit 1958 übernahm sie dann 50 Jahre lang den im Hause Lemm bereits heimischen Küsterdienst für die gotische, reich ausgestattete St.-Antonius-Kirche, während er in den langen Jahrzehnten auch als Kirchenvorstandsmitglied sich um den Friedhof sorgte. Kirche und Friedhof erfuhren in den Nachkriegsjahren mehrere Phasen der Restaurierung und Neugestaltung. Mit der von ihr begründeten Dorfgemeinschaft Hanselaer, die auch das Märtyrergedächtnis des Steyler Missionsbischofs Josef Lörks in Ehren hält, kümmerte sich Ehepaar Lemm um die neue Außenmauer und die Friedhofsgestaltung, um das alte Küsterhaus und um die Pflege des Inneren mit den im Gegensatz zu St. Nicolai hier sogar noch historisch gefassten alten Figuren in den drei Altären und dem mit seinem ausdrucksvollen Skelett Adams schockierenden Hochkreuz. Neben den vielen Überlegungen zur Historie und den Erneuerungen an Mauerwerk, Dach und Inneneinrichtung der Kirche besorgte Ehepaar Lemm auch den Putzdienst und die Friedhofspflege. Gerade Maria Lemm hatte sich zu einer ausgewiesenen Kennerin und Führerin zur Geschichte der Dorfkirche und seines Umfeldes entwickelt. Hundert Jahre war in den langen Zeiten die Hanselerer Kirche sogar eigene Pfarrkirche, gehörte vorher zu Altkalkar und anschließend zu St. Nicolai. Die Stadt Kalkar bedachte das Ehepaar für das ehrenamtliche Wirken in der Hanselaerer Dorfgemeinschaft und der Pfarrgemeinde nach 50 Jahren 2008 mit der Überreichung der Ehrenplakette. Zum Seelenamt und zum ehrenden Angedenken mit der Familie, den Nachbarn, der Frauengemeinschaft, den Landfrauen und der St.-Antonius-Bruderschaft war die Nicolai-Kirche bis auf wenige verfügbare Plätze voll besetzt.

In den Tagen ihrer Krankheit hat ihr Mann Willi seine Frau bis zum letzten Tag zuhause umsorgt und gepflegt. In der Predigt ging der Pastor auf ein altes Bild in ihrem Wohnzimmer von Manes Peters ein, das einen Mann mit einem alten Belgier-Pferd und einer niederrheinischen Schlagkarre auf der Spickstraße zeigt. Die Perspektive ist so gewählt, dass die Hanselaerer Kirche wie auf der Karre aufgeladen erscheint. Die beiden hohen Wagenräder mit ihren zwölf Speichen sind ein gutes Bild für ein altes Ehepaar, das gleich getaktet und mit einer stabilen Achse verbunden zwischen sich vieles und viele trägt, auch kirchliches Leben und Sorge für die Pfarrgemeinde. In langen Ehejahren gibt es viel zu schultern. Das Bild des „kraakenden Wagens“ nach langjährigen Belastungen lässt viele Erinnerungen zu. Viele Kalkarer erinnern sich jedenfalls mit Hochachtung und Dankbarkeit an Maria und Willi Lemm, die sich unverlierbar in die tausendjährige Hanselaerer Kirchengeschichte eingeschrieben haben.