Hald Gott vörr Oogen

Zum plattdeutschen Buchtitel „Hald Gott vörr Oogen“ hat Pastor van Doornick seine Keppelner Möökeshüss-Predigt nun auf Deutsch gehalten. Hier der zweisprachige Text … (hier klicken zum ausdrucken)

 

„Halt‘ Gott vor Augen!“ Keppelner Philosophie-Stunde an der Dorfschule: Was ist das Leben? Karnevalspredigt © 2024 Alois van Doornick

 

Bei der Ordensverleihung in Keppeln an die Musikgruppe „die Klever Töns“ habe ich eine plattdeutsche Predigt gehalten. Hier die deutsche Version: Lasst uns heute ein wenig philoso-phieren. Ich habe das einem schwedischen Märchen ent-nommen und ein wenig ausgebaut mit den neuen Tierfiguren an der Dorfschule in Keppeln.

Es war ein schöner Sommertag, so ungefähr um die Mittags-zeit. Zwischen den Bäumen am Keppelner Schulhof war Ruhe eingekehrt. Zeit für den Mittagsschlaf. Ein Viertelstündchen aufs Ohr nach dem Essen. Alles schlief. Da sprang das kleine Eichhörnchen von Ast zu Ast, blieb kurz hier sitzen, sprang dann dorthin weiter und  fragte einfach so in Gedanken, aber laut genug, dass es alle hören konnten: „Sagt mal, Leute, was ist eigentlich das Leben?“ Das war eine Hammerfrage. Alles schaltete auf Nachdenken. Vom kleinen Spatz mit seinem winzigen Kopf bis zum Ochsen mit seinem dicken Schädel. Was macht das Leben denn so aus?
Ein Schmetterling kam angeflogen, roch hier an einer Blume, setzte sich da auf eine Blüte und sagte: „Leben ist so schön bunt: Hier am Süßen nippen und da was Leckeres lecken: Das ist das Leben!“
Die kleine Ameise hatte Arbeit satt und schleppte stundenlang ihr Zeug in den Ameisenhaufen: „Boah! Leben ist echt an-strengend. Leben ist ja nur harte Arbeit!“
Der Maulwurf streckte kurz sein spitzes Maul aus der Erde: „Ich mach mein Ding am liebsten im Dunkeln, dass es keiner sieht: Das ist mein Leben!“
Die fleißige Biene flog hierhin und dahin und dachte sich: „Das Schönste ist der Wechsel. Leid und Freud, Arbeit und Spaß! Leben besteht nur durch den Wechsel.“
Der alte Tannenbaum ließ geduldig die Zweige nach unten hängen: „Ich finde: Das Leben ist ein Sich-Unterstellen unter eine höhere Macht!“
Oben hoch in den Lüften drehte der Bussard still Runde um Runde: „Wisst ihr, Leute, Leben hier oben ist wunderbar, das ist dem Himmel entgegenstreben!“
Eine kleine Schauer zog mit einer dicken, dunklen Wolke kurz vorbei: „Ach, glaubt mir nur, das Leben besteht ja doch zu allermeist aus tausend Tränen und aus traurigen Tagen.“
Die Amsel stellte sich mit Macht dagegen und begann zu tril-lern. „Das Leben ist gar nicht zu denken ohne Musik. Hohe oder tiefe Töne, alte oder neue Lieder: Musik bringt Men-schen zusammen. Los, lasst uns kräftig singen! Musik ist Leben. Wir brauchen Töne, kräftige Töne, wie mit den Klever Töns!“
Ein Hase sprang mit weiten Sätzen durch das Gras: „Leben ist immer was Neues. Ich frag immer: Was kommt jetzt? Wo geht die Reise hin? Gar nicht schlimm, dass das Leben oft so anders läuft als du es selbst geplant hast!“
Der Regenwurm fühlte sich ein wenig eingeengt nach dem Regen da unten in seiner Erde. Er kroch langsam ans Licht und räkelte sich in der Sonne, er hatte so seine Theorie: „Leute, vergesst es nicht: Das Leben braucht Freiheit!“
So ging das den ganzen Mittag weiter. Jeder wusste was ande-res zu erzählen. Und: Jeder wusste es besser als der andere. Fast hätten sie Streit bekommen über die große Frage des kleinen Eichhörnchens.
Zum Abend hin segelte eine Eule zwischen den Bäumen ein-her: „Wisst ihr, Leben, das ist für mich die Zeit nutzen, wenn andere tief und fest schlafen!“
Ein Mann schwankte und strauchelte ein wenig hin und her auf dem Heimweg vom Feiern: „Ja, so ist das mit dem Leben“, sinnierte er, „Du suchst überall nach Liebe. Du suchst verzwei-felt nach dem großen Glück. Und, was sage ich dir, es geht meistens ziemlich genau an dir vorbei!“
Er kam auf den Keppelner Schulhof, wo zum 850-jährigen Jubiläum die neuen Tiere aufgebaut waren, Tiere von einer Künstlerin, mit den Kindern zusammen überlegt: Tiere zum Aufsteigen.
Er sah sich die Szene genau an, alle die Tiere, auf denen die Kinder herumklettern können: Die zwei Pferde, die verschie-denen Sorten Kühe, stehend und liegend, die zwei weißen Schafsböcke, die zwei fetten Schweine im Dreck und dann, ganz oben, den stolzen Hahn.
Und dann hörte er es: Die waren auch bei der Frage: „Was ist das Leben?“
Das stolze Pferd schmuste im Stehen mit dem kleinen Fohlen. Das kleine Fohlen hatte die Welt so richtig im Döschen: „Hotel Mama“, meinte das Fohlen, „Hotel Mama: Das müsste immer so bleiben. Das ist wirklich ein Leben!“
Die zwei fetten Säue wühlten im Dreck. „Ohne Erde ist nix los auf der Erde. Suhlen im Dreck. Nichts macht mehr Spaß. Wir haben die richtige Nase und das Gespür dafür. Lasst uns doch mit der dicken Nase immer allen Sachen tief auf den Grund gehen!“
Die ältere, die schwarz-weiße Kuh, hatte sich in ganzer Breite gelassen am Boden ausgebreitet: „Was macht ihr bloß mit all euren Terminen, eurem Stress, mit euren Podcasts und Apps: Ruhe, das ist das Leben! Urlaub in Keppeln: Das ist umwelt-schonend! Einfach gar nichts tun! Lasst es euch doch einfach zuhause richtig gut gehen. Nichts anderes! Lasst mich jeden-falls hier nur mal einfach in Ruhe bloß rumliegen!“
Die zwei Schafsböcke mit ihren toll gedrehten Hörnern mach-ten zweifelsfrei einen starken Eindruck: „Wir sehen von allen am besten aus in unserem feinen, weißen Kleid. Schönheit macht es schließlich aus im Leben. Ihr wisst ja, dass bei den Tieren die Männer die schöneren sind. Lasst die Frauleute ruhig quaken. Sind wir nicht schön? Schönheit ist Leben!“
Das junge, braune Kälbchen saugte schmatzend am Euter seiner Mutter: „Saufen und Fressen, Fressen und Saufen, es geht doch gar nicht ohne: Essen und Trinken. Ein Pöttchen Bier für die Queekespier! Essen und Trinken: Das ist doch Leben!“
Der Hahn saß hoch oben auf seiner Stange und besah sich das Spiel von oben. „Ich hab damals schon Petrus geraten, seinen Freund nicht allein zu lassen, und ich hab noch rechtzeitig gekräht, als es schon fast zu spät war. Da hat er sich ja noch gerade eingekriegt. Was wär sonst wohl gewesen? Ich meine: Das ist das Leben: Halt‘ Gott vor Augen!“ Und er blickte mit einem Auge nach oben zum Himmel. Mit dem anderen Auge aber blickte er nach unten auf all seine Lieben auf dem Schul-hof. „Das hat zuhause unsere Oma schon immer uns geraten: Halt‘ Gott im Auge! Also Leute, ihr könnt sagen, was ihr wollt: Das ist das Leben, das bringt euch Segen: Haltet Gott im Blick!“

 

„Hald Gott vörr Oogen!“
Käppelze Philosophie-Stond an de Scholl: Wat ess et Lääwen?
Prääk op de Möökeshüss-Oomend in St. Jodokus de 25.11.2023 © AvDoornick

Loot onz vandaag marr en beche philosophiere. Ek häbb dat affgekeeken van en Stökkske ütt Schweden, äwel nätt so guut koss dat hier geböört sinn, hier kort bej onz, door gönnt an de Scholl.
Op enne feijne Sommerdagg, so wat öm de Meddag, was tössen de Bööm an de Schollplätz toch wat Röst ingekeert. Titt förr den Oorden, en veerl Stöndchen nort Ääten op et Oor. Alles schliep. Door sprong enne kleijne, jonge Eikater van ennen Takk op den anderen Takk, bleef äffkes setten än frugg so in Gedanke, äwel laut genug, dat sej et all kossen höören: “Sägg Lüjkes, wat ess eigentlek et Lääwen?”
Dat was en onmöndeg groote Froog. Door ging alles an’t Noordenke. Van de kleijne Klött met sinne mittrige Kopp bess den Oss met sinne groote: Wat mekkt et Lääwen eigentlek ütt?
Enne bonte Pannevogel koom geflooge, keek hier norr en Blumm, keek door norr en Blumm än säj: “Lääwen ess bont, fliegen in de Sonneschinn, hier äffkes wat Süütes neppen än door watt Läkkers läkken, dat ess et Lääwen.”
Dij kleijne Ameise hatt döchteg Ärbejt än schleppden stonde-lang öör Grej in den Ameisenhoop: “Lääwen ess toch ömmer Muijten än ömmer blooß harden Ärbejt!”
De Wülder keek äwes met sinne spetze Mull ütt de Wülders-hoop: “Ek dünn minn Dengen et liefsten ongesien in den Düsteren: Dat ess Lääwen!”
Dij Beij floog hierhenn än doorhenn on docht sech: “Et Lääwen, dat ess ömmer vööl Wessel, dat ess affwesselnd Kwood än Freud, beijegaal Ärbejt än Spass.”
Den alden Dännenboom liet gedöldeg sinn Täkk norr onderen hangen: “Et Lääwen ess sech onderställe onder en höggere Macht.”
Bowen in de Locht hoch öwer alles drääjden den Bussard sinn Röndches: “Lääwen ess den Hemmel intäägen goon …”
Ennen dekken Buij trokk vörrbej met öör schwatte Wolke: “Läwen sinn toch mesten Titts dökk wat Tröön än düstere Truurdaagen.”
De Mäll satt sech dorintäägen op ennen Takk än ging an’t Fleu-te: “Läwen ess nekks oone Musik. Hoogen off leege Töön, aalden off neije Lieders: Musik brengt de Lüj bejänn. Musik ess Lääwen. Loot onz marr dökk satt sengen! So ass met dij Töns!”
Enne Haas sprong kibbig henn än weer dörr de Schmeele: ”Lääwen ess ömmer wat Neijes. Woor gett et dann now op aan? Läwen löppt ow et mest in en ganz ander Richtung, ass gej dat so gedocht hätt!”
De Pier noor de Räägen füllden et en bechen eng in sinn Lokk, hej kroop an’t Lecht än drääjden sech in’t Grass: “Lääwen sükkt ömmer norr Frejhejt.”
So ging dat de ganze Meddag wier, jedereen woss wat te vertällen än jeeder woss wat bääter, wat et Lääwen so ütt-mekkt. Horss hadden sej Stritt gekreegen öwer dij groote Froog van den Eikater. Täggen den Oomend floog den Üll döör dij Bööm: “Lääwen ess, den Titt te nötze, ass dij anderen fast schloope.”
Enne Mann dwaalden en beche schukks nor’t Fieren in Därp op Hüss aan. “Joo, so ess dat met et Lääwen. Gej blifft draan met Süüken nor Liewde än’t groote Glökk, än, wat säggt gej, et ess Jammer: Et gätt so dökk ratts dornäwen.”
Hej koom op de Schollplätz, woor dij neije Dieren opgebouwt wassen met et achthondertfüffteg Joor-Jubiläum van Käppele.
Hej bekeek sech dat Spööl met all dij Dieren, dij te beklaawe-ren sinn, met dij Päärd, dij verschellege Soorten Kuwen, dij twee Schoppsbökk, dij schmärge Poggen än dann, ganz bo-wen, den Haan. Än door ging hej an’t Lüsteren. Sej wassen door ok an de Gäng: Wat ess et Läwen?
Dat Päärd stond op de Weij te schmuusen met et Föllen. Et Föllen hatt de Wält in’t Döösken: “Hotel Mama, säj dat Föllen, Hotel Mama, ass et marr so bleev! Dat ess et Lääwen!”
Dij twee Fäärkes läjen vörr de Grond: „Oone däfftege Äärd ess et nekks op de Äärd. Wüülen in de Mott, door gätt nekks dröwer henn. Wej häbben dat rechtege Nöösken! Lott onz marr ömmer met dij dekke Nöös dij Saakes guut op de Grond goon!”
Dij äldere schwatt-wette Kuw lääj geröst vörr de Grond. “Wat wellt gej met all owwe Stress, met ow Termiene, met owwe Pottekasts än Apps: Rösten, dat ess Lääwen, Uurlaub in Käppe-le. Dat ess umweltschoonend! Einfach nekks duun! Dütt marr hier t’hüss gerösteg aan, nekks anders. Loot min marr met Röst hier bliewen legge!”
Dij Schopps-Bökk stonden op Sitt met öör gedrääjde Hörrn: “Wej stonn van allen et besten dropp in onz rein wett Klett: Schöönhejt mekkt et schließlek ütt! Gej wätt ja, dat bej de Dieren dij Mannslüj de Schöönsten sinn. Loot de Frouwlüj marr kieke! Likken wej niet ass de mooisten? Schönhejt brengt Lääwen.”
Dat jonge, brünne Kälvken suugden bej öör brünne Mooder an et Ier: “Suppen än drenke, drenke än suppen, dat gätt toch noots oone. En Pöttchen Bier förr de Queekespier! Ääten en drenke, dat ess toch et Lääwen.”
Den Haan satt hoog op de Stang än bekeek sech alles van Bowen. Hej keek in den Hemmel än keek norr onderen än säj: “Ek häbb all Petrus gerooje, sinne Friend niet te verlooten än op de Titt gekrääjt, ass et hors dornäwen ging met öm. Dänn hätt sech dornoor dann toch noch bekreege. Dat ess et Lääwen: Hald Gott vörr Oogen!”, mennden hej on keek met een Oog in den Hemmel. “Hald Gott guut vörr Oogen!” Marr hej luurden ok met et ander Oog norr all sinn liewe Dierkes door onder. “Dat hatt t’hüss all onz Oma ömmer ass guijje Root: Sägg Lüj, dat ess et Lääwen. Dat brengt ow Säägen: Hald Gott vörr Oogen!”